Die passende Leselektüre für die Vorfreude auf Nicaragua: Reiseführer Nicaragua
Nicaragua ist nicht unbedingt das erste Reiseziel, das die meisten Tourist*innen wählen würden. Und genau das schafft seinen besonderen Reiz. Von atemberaubenden Vulkanen und unberührter Natur mit malerischen Seen bis hin zu historischen Städten – Nicaragua hat mich so tief beeindruckt, dass ich am Ende ein ganzes Jahr geblieben bin.
Im Folgenden möchte ich euch einige der Orte vorstellen, die mir besonders gut gefallen haben…
Vulkan Telica
Ankunft in Managua: Chaotische Hauptstadt
Eine Reise durch Nicaragua beginnt normalerweise in Managua.
Einerseits beeindruckte mich die Authentizität der Stadt, die nicht von touristischen Massen überlaufen ist. Andererseits sind die Spuren der jüngeren Geschichte, wie Bürgerkrieg und Naturkatastrophen, nicht zu übersehen. Es ist laut und schmutzig und auch die Fortbewegung ist teilweise anstrengend. Für „Lateinamerika-Anfänger*innen“ würde ich Managua nur als Ausgangsort oder Zwischenstopp empfehlen.
León: Koloniale Universitätsstadt
León ist kleiner und ruhiger und dennoch eine bunte und lebendige Stadt, in der viele Studentinnen und Studenten leben und junge Leute aus aller Welt in NGOs arbeiten. Hier kann man gemütlich alle Wege zu Fuß zurücklegen.
Im Gegensatz zu Managua gibt es hier auch ein Stadtzentrum. Schulen, Restaurants, Bars, kleine Geschäfte für Lebensmittel oder Kleidung. Billardcafés, wo ausschließlich Männer ihre Queues schwingen – Nicaragua ist generell ein sehr machistisch geprägtes Land. Auf den größeren Plätzen thronen spanische Kolonialstilkirchen. Frauen und Männer schieben rollende weiße Kisten über den Platz, während die Kuhglocken an den Lenkerstangen ununterbrochen laut bimmeln. Auf den Kisten steht in roten Buchstaben: Eskimo. Statt Twinni und Jolly gibt es aber nur einen riesigen Eisklumpen, von dem etwas Eis abgeraspelt und in einem Becher gestopft wird. Darauf kommt klebriger Sirup aus Plastikflaschen mit Schokoladen-, Karamell- oder Erdbeergeschmack. Auf dem Markt vor der Kathedrale stapeln sich Hängematten, Zigarren, Süßigkeiten, Aschenbecher, Taschen, T- Shirts mit der Aufschrift Nicaragua und jede Menge artesanía, traditionelles Kunsthandwerk aus der Gegend.
León ist reich an Geschichte und Kultur. Hier findest du außerdem jede Menge Bars, Hostels und Restaurants und alles zu sehr sehr billigen Preisen.
In der Umgebung von León gibt es mehrere Vulkane, darunter den Telica, den Cerro Negro und den Momotombo. Tourist*innen können Vulkantouren und sogar Vulkanboarding unternehmen. Ich habe mich für eine Tour zum Vulkan Telica entschieden.
León
Markt in León
Telica. Camping auf einem aktiven Vulkan
Der Fahrer holt eine Freundin und mich von unserer Unterkunft ab. Alle Rucksäcke im Auto verstaut, fahren wir los. Kurzer Stopp bei Pan y Paz. Im wunderschönen grünen Innenhof dieser kleinen französischen Bäckerei mit dem Namen „Brot und Frieden“ kann man sich bei Salat, Quiche, einer Käseplatte oder einem Frühstück mit Croissants, Marmelade und Eiern, Sandwiches und frisch gepressten Fruchtsäften bei ruhiger Musik im Schatten von Trubel und Hitze der Stadt erholen. Wir kaufen Sandwiches, Wasserflaschen und Cola und klettern wieder in unseren Jeep.
Am Fuß des Vulkans übergibt uns der Fahrer an unseren Guide. Gustavo ist 40 Jahre alt, wirkt aber deutlich älter, denn seine dunkle Haut ist von der vielen Sonne faltig geworden. Um seine Stirn hat er ein Tuch mit grünem Camouflagemuster gebunden, was den abenteuerlichen Charakter unserer Expedition noch unterstreicht. Hinter ihm suchen zwei braune hagere Pferde den erdigen Boden nach einzelnen Grashalmen ab. Ein Mädchen hält sie an einem Strick fest. Ihr kleiner Bruder springt herum und stupst und ärgert seine Schwester mit einem Stock.
„Das sind meine Kinder Rosa und Miguel, die kommen mit“. Gustavo rückt das Gepäck auf den Rücken seiner Pferde zurecht: Zelte, Schlafsäcke, Isomatten, ein Campingkocher. Dann schnappt er sich eine Machete: Die brauchen wir, um den Weg freizumachen. Das erste Stück des Weges ist noch flach, der Boden steinig, staubig und trocken. Obwohl wir die meiste Zeit im Schatten gehen, kommen wir ziemlich ins Schwitzen. Unter einem riesigen Mangobaum machen wir eine Pause. Gustavo fragt uns, ob wir unsere Rucksäcke zum restlichen Gepäck auf die Pferde binden wollen. Zum Glück.
Langsam wird der Weg immer steiler. Unterwegs begegnen wir einem Bauern, der eine Herde dürrer Rinder vor sich hertreibt. Die Landschaft ist trocken und trotzdem teilweise grün.
Gerade noch rechtzeitig zum Sonnenuntergang erreichen wir den Gipfel. Da stehen wir, verschwitzt und außer Atem und vollkommen überwältigt, mitten auf dem Telica. Das Gestein leuchtet in der Abendsonne in allen Rottönen. Der Himmel ist orange, aus dem Krater strömt schwarzer Rauch, es riecht nach Schwefel. Hier oben fühlt man sich wie auf einem anderen Planeten.
Für den Sonnenuntergang klettern wir über das lockere Geröll noch ein Stück weiter hinauf. Dort setzen wir uns auf flache Steine, die von der Sonne noch ganz warm sind. Außer uns sind auch ein paar andere Besucherinnen hier oben, trotzdem ist es mucksmäuschenstill. Fasziniert, fast andächtig, blicken wir in die Ferne. In allen Richtungen Berge und Vulkane, hinter uns brodelt der Krater. Von hier oben beobachten wir, wie die Sonne langsam über den Vulkanen untergeht. Dann wird es ganz schnell dunkel, wir sollten uns mit dem Zeltaufbauen beeilen. Ganz unerwartet liegt hier oben zwischen all dem Lavagestein direkt neben dem Krater eine flache Ebene mit kurzem hellgrünem Gras und Palmen. Diese Wiese wirkt so gepflegt und perfekt, fast wie ein künstlich angelegter Golfplatz, mitten im Land der tausend Vulkane, wie Nicaragua auch genannt wird. Wobei dieser Beiname leicht übertrieben ist, genau genommen sind es neunzehn Vulkane, sechs davon sind noch aktiv.
Wir bauen unsere Zelte auf. Gustavo kümmert sich währenddessen um die Pferde. Mittlerweile ist es stockdunkel. Mit den Taschenlampen unserer Handys klettern wir noch das letzte Stück bis zum Krater hinauf. Der Rauch und der Schwefelgeruch sind hier so intensiv, dass uns schwindelig wird. Wir legen uns auf den Bauch, ganz knapp am Kraterrand, der einen halben Kilometer steil nach unten abfällt und schauen in die Tiefe in ein Feuerloch, wo sich die rote Lava wie glühende Fäden durch das schwarze Gestein zieht. Es brodelt laut und zischt und knistert wie in einem Hexenkessel.
Später verspeisen wir am Lagerfeuer unsere Sandwiches. Gustavo hat Marshmallows mitgebracht, die spießen wir auf kleine Äste, grillen sie über dem Feuer und teilen sie mit Rosa und Miguel. Als Gustavo und die Kinder schlafen, liegen wir noch eine Zeit, eingewickelt in unsere Schlafsäcke, neben dem Lagerfeuer, schauen in den Sternenhimmel und trinken Flor de Caña. Hinter uns der Vulkan, über uns so viele Sterne, wie wir noch nie zuvor gesehen haben, rund um uns Palmen und Vulkane.
Als wir in der Früh aus unseren Zelten kriechen, setzen wir uns vor dem Abstieg auf einen Stein in der Sonne, kochen Kaffee und genießen noch einmal diesen unglaublichen Blick, weit und breit nichts als Himmel, Vulkane und Stille.
Vulkan Telica
Blick vom Vulkan Telica
Estelí und Somoto: Wandern, schwimmen und reiten durch den Canyon
Um sechs Uhr früh starten meine Freundin und ich mit dem Chicken Bus nach Estelí. Wir wollen die Pferde- und Zigarrenstadt Estelí und den Cañon de Somoto besichtigen. Auf den Rat einer Einheimischen hin bitten wir den Busfahrer, uns bereits bei La Casita rauszulassen. In diesem kleinen Ökogastronomiebetrieb findet man Joghurt, Brot, Käse und Honig aus Eigenproduktion.
Auf der Terrasse vor dem urigen Häuschen laden rustikale Gartenbänke und Tische aus massivem Holz zu einer Pause im Schatten ein. Rund um die Terrasse wuchert das grüne Dickicht aus Palmen und Bananenstauden. Eine Hängebrücke führt über einen Bach auf eine große Wiese. Am Wiesenrand blühen Kakteen in leuchtenden Rosa- und Rottönen, in die ovalen, stacheligen, grünen Blätter sind Buchstaben in Herzen geritzt. Auf dem Spielplatz verbringen junge Familien den sonnigen Tag. Die Baumschule erklärt auf kleinen Täfelchen in der Erde die heimische Artenvielfalt. Über umgestürzte Baumstämme flitzen grüne und braune Salamander. Ein perfekter Ort für eine Pause.
In Estelí leben etwa 120.000 Einwohnerinnen auf 800 Meter Höhe. Die Luft ist um einiges kühler als im Westen des Landes. Auf dem Hauptplatz dreht sich ein blinkendes Ringelspiel, junge Mütter fotografieren mit ihren Handys Kinder, wie sie auf Pferdchen und auf Mopeds, in Kutschen und in Feuerwehrautos im Kreis fahren. Auf den Parkbänken rundherum sitzen ältere Männer mit Cowboyhüten und rauchen Zigarren. Estelí ist vor allem für seine Zigarrenfabriken bekannt. Während der kubanischen Revolution diente die Stadt als Zufluchtsort für Tabakherstellerinnen aus Kuba. Vermutlich ist die lokale Tabakindustrie deshalb so groß geworden. Weil jede Zigarre handgemacht ist, finden etwa 30.000 Familien Arbeit in diesem Sektor. Jedes Jahr werden 60 Millionen Zigarren produziert.
Neben einer stark befahrenen Straße prahlt die neo-klassizistische Kathedrale mit ihrem schneeweißen Anstrich, der in der Mittagssonne leuchtet, regelrecht blendet.
Auf dem Markt verkaufen Männer und Frauen mit langen Jeans und weißen fettverschmierten Schürzen Hühner und Fisch, Limetten und Yuka, Herrenledergürtel und Kindergummistiefel, Panflöten und Ohrringe, geknüpfte Umhängetaschen und geflochtene Körbe, Rasseln und Strohhüte. Vom Stand mit den selbst gebrannten Reggaeton-CDs tönt die Musik von Luis Fonsi und Nicki Jam. Und ganz typisch für Estelí: aufwändig verzierte Sattel sowie alles Mögliche an Reitzubehör. Unter riesigen grünen Toña-Sonnenschirmen verschlingen Familien auf langen Tischen und Heurigenbänken Tajadas, das sind Kochbananenenchips mit Käse- oder Chillissauce, und Quesillos, also Maistortillas gefüllt mit Zwiebel, Essig und Käsesauce. Dazu die typischen klebrigsüßen Säfte in allen Farben.
Wir fahren weiter nach Somoto. Vom Busbahnhof direkt in eine oficina de turismo, wo wir die großen Rucksäcke abladen, um mit kleinem Gepäck unsere Wanderung zum Canyon zu starten.
Ein alter Mann mit Cowboyhut und Zigarre im Mund überreicht uns feierlich einen Esel und ein Maultier. Uns begleiten zwei Guides: der ältere und gesprächigere trägt einen Rangerhut, der jüngere eine Baseball-Kappe und ein Fest T-Shirt vom Magma Fest, das erste elektronische Musikfestival Nicaraguas auf der Insel Ometepe.
Unser Weg führt uns erst ganz flach an Maisfeldern entlang, dann waten wir durch einen breiten, aber sehr seichten Fluss, ehe er sich durch den Wald und auf einen Berg hinaufschlängelt und immer schmäler wird. Meine Freundin und ich wechseln uns ab, wer auf dem Maultier reitet und wer den Esel an der Leine führt, der unser Gepäck trägt. Kühe, Hunde, Spinnen, Glühwürmchen, Kröten und Frösche kreuzen unseren Weg.
Als wir unser heutiges Ziel, eine alte Finca, erreichen, ist es schon dunkel. Die Finca liegt ganz oben auf einem Berg auf einem flach abfallenden Hang, inmitten von Tiergehegen mit Eseln, Hühnern, Pferden, Hunden und Schweinen. In den Bäumen sitzen grüne Papageien und metergroße Leguane. Die kleine Solarzelle auf dem Dach reicht für elektrisches Licht, eine Saftpresse, den Fernseher, auf dem die Kinder abends Videos anschauen, und um die Handys aufzuladen. Sie reicht nicht für einen Kühlschrank, weshalb die Milch nur in der Früh frisch getrunken und der Rest sofort zu Käse verarbeitet wird. Die Toilette ist ein Plumpsklo in einer Hütte auf dem Hang neben der Finca, immerhin mit schöner Aussicht auf Wiesen und Wälder, in der Nacht allerdings stockfinster. Auf der Terrasse bereitet uns die Dame des Hauses ein Abendessen zu: Käse, Tortilla, Ei und Gallo Pinto, die Nationalspeise und das wichtigste Gericht in Nicaragua: Reis und Bohnen, in riesigen schwarzen Pfannen mit viel Öl zubereitet. Gallo Pinto wird morgens, mittags und abends gegessen. Nach dem Essen zünden die Guides noch ein Lagerfeuer an und schenken uns Chicha ein, ein alkoholisches Getränk, das schon von den Inkas getrunken wurde und durch Fermentation verschiedener Pflanzen durch Speichel gewonnen wird, weshalb es auch Spuckebier genannt wird. Hier in Somoto wird Chicha aus Mais hergestellt. Es schmeckt extrem sauer, aber eigentlich gar nicht so schlecht.
Am nächsten Morgen sehen wir zum ersten Mal bei Tageslicht, wo wir hier eigentlich gelandet sind. Der Blick in die Weite ist beeindruckend. Rund um uns überall Berge und mittendrin, zwischen steilen Felswänden, schlängelt sich der berühmte Cañon de Somoto.
Frühstück auf der Fincaterrasse: Gallo Pinto, Käse, Tortilla und frittierte Kochbananen. Nach dem Essen leiste ich der Mutter und ihrer Tochter in der Küche Gesellschaft. Die Neunjährige mit pechschwarzem geflochtenem Zopf und blauer Blumenhaarspange zerstampft Maismasse in einem Topf und stopft sie anschließend in einen Drehwolf, sodass ein feiner Teig entsteht. Ihre Mutter legt ein paar Holzscheite in den winzigen Lehmofen und zündet sie mit einem Streichholz an. Sie ist froh, dass sie seit Kurzem mit Gästen ein bisschen Geld dazuverdienen kann, erzählt sie, außerdem erfährt sie so etwas über die Welt, sie selbst war ja noch nie in einem anderen Land. Dann zeigt sie mir, wie man Tortillas bäckt. Gar nicht so einfach, die richtige Teigmenge in eine schöne flache, runde Form zu bringen, sodass sie in der Pfanne über dem Lehmofen gleichmäßig gebacken wird. Die Frau hat merklich mehr Routine als ich. In der Zeit, in der ich meine erste Tortilla forme, schafft sie locker zehn Stück. An die zweihundert Tortillas bäckt sie jeden Tag, damit versorgt sie die gesamte Familie und alle Arbeiter, die beim Hausbauen, in der Landwirtschaft und mit den Tieren helfen.
Am späten Vormittag tauschen wir unsere Flip-Flops wieder gegen die Wanderschuhe und stapfen weiter Richtung Canyon. Auf dem Waldweg ist weit und breit kein Mensch zu sehen und nichts zu hören als Vogelgezwitscher und das Rascheln unter unseren Schuhen. Plötzlich deutet uns der ältere Guide mit erhobenem Zeigefinger stehen zu bleiben und still zu sein. Er geht in die Hocke und zeigt auf einen Baum: Mitten im Geäst sitzt ein farbenfroher kleiner Vogel mit auffallend langen, türkis schimmernden Schwanzfedern, ein Guardabarranco. Der Nationalvogel Nicaraguas, der auch den hübschen hellgelben 200 Córdoba Geldschein ziert, soll mit seinen bunten Federn die Vielfalt und die Eleganz des Landes präsentieren. In natura lässt er sich aber nur ganz selten blicken.
Kurz darauf entdecken wir auch noch einen riesengroßen Fledermaus-Clan in einem Spalt zwischen zwei Felswänden, eng zusammengekuschelt hängen sie da kopfüber und schlafen. Und dann stehen wir plötzlich vor einem Abgrund. Vor uns geht es etwa 25 Meter steil nach unten.
Und jetzt?
Da klettern wir jetzt runter.
Ich denke erst, der Guide macht einen Scherz, da bindet er mir aber schon einen Gurt und ein Seil um die Hüfte, befestigt das andere Ende an einem Baum und setzt mir einen Helm auf den Kopf.
Jetzt einfach rückwärts in den Abgrund springen. Anders kommen wir leider nicht weiter. Das ist Teil des Abenteuers!
Die Guides finden das beide sehr witzig.
Eine Zeit lang hänge ich noch am Abgrund und schaue hinunter und überlege.
Nicht runterschauen, einfach springen!, rufen sie.
Und dieser Knoten da am Baum hält auch ganz sicher?
Der erste Rückwärtssprung kostet mich viel Überwindung. Mein Herz pocht bis zum Hals. Aber das Seil scheint zu halten. Sprung für Sprung hantel ich mich den Abhang hinab. Und schließlich macht das Abseilen sogar Spaß.
Eine Zeit lang müssen wir noch weiterwandern, bis endlich der Canyon vor uns liegt. In einer tiefen Schlucht aus rauen Felsen hat sich der Rio Coco, der längste Fluss Mittelamerikas, in Jahrmillionen langer Erosion seinen Weg durch diese Steine gebahnt. Das Wasser ist glasklar und an manchen Stellen bis zu 100 Meter tief. Wir kühlen unsere Füße im Fluss, klettern auf den Felswänden herum und springen von den Klippen ins Wasser. Dann schwimmen wir noch eine Zeit lang durch den Canyon, immer weiter und weiter hinein. An manchen Stellen ist er nur einen Meter breit und links und rechts von uns ragen die hohen Felswände empor. Ein extrem beeindruckendes und besonderes Erlebnis.
Tortillas backen auf der Finca beim Somoto Canyon
Laguna de Apoyo: Baden im Kratersee
An einem Novemberwochenende fahren wir in die Laguna de Apoyo. Der Kratersee liegt inmitten einer caldera, einem großen Bergkessel, der durch mehrere Vulkanausbrüche entstanden ist. Die letzte Eruption liegt aber bereits 23.000 Jahre zurück.
Mit dem Bus von León zur UCA, dort steigen wir um in einen bunt bemalten, alten US-amerikanischen Schulbus. Meine Eineinhalb-Liter-Wasserflasche hat gerade einmal für die erste Stunde gereicht. Gut, dass ständig überall Leute Getränke verkaufen. Me traes una cola?, rufe ich aus dem Bus hinaus einem jungen Mann zu, der einen Korb voll bunter Limonaden auf seiner Schulter trägt und Gaseosaaa brüllt, stecke einen Geldschein durch den Fensterspalt und er verschwindet in der Menge. Theoretisch könnte er auch einfach nicht mehr zurückkommen und das Geld behalten. Da mir das aber tatsächlich noch nie passiert ist, vertraue ich auch jetzt darauf, dass mein Cola inklusive Wechselgeld früher oder später aus der Menschenmenge auftauchen wird. Und so ist es auch. Gerade noch rechtzeitig vor Abfahrt streckt mir der Bursche mein Getränk und ein paar Scheine durchs Fenster.
Zweieinhalb Stunden ruhige Fahrt. Gerade bin ich etwas eingedöst, da schreit der Fahrer: Masayaaa! Hier muss man in einen anderen Bus umsteigen. Und Busbahnhöfe sind in Nicaragua immer auch Marktplätze. Also schnell noch eine Runde auf dem Markt drehen, vorbei an Frauen mit Schürzen und riesengroßen geflochtenen Körben voll mit Mangos, Limetten, Tomaten, Zwiebeln, Karotten, Kraut und Avocados. Die Sonnenschirme sind mit schwarzen Plastikplanen überzogen. Wir schlendern durch die engen schlammigen Gassen zwischen Marktständen mit Klopapierpyramiden, Geschirr, Babykleidung und Besen, aufgeschnittenen abgepackten Mangoscheiben, Cola in Glasflaschen, in Dosen und in Plastiksackerln, lebendigen Hühnern in Käfigen und geschlachteten in Kisten. Ein alter Mann trägt ein rosa Ferkel an den Hinterfüßen spazieren, es hängt kopfüber und schnüffelt mit seinem Rüssel nervös in alle Richtungen.
Der Markt ist viel größer und verwinkelter als erwartet und fast verlaufen wir uns komplett. Schließlich finden wir zum Glück doch noch unseren Bus wieder. Mit Wasser und Obst bepackt klettern wir durch die Hintertür und rufen dem Busfahrer zu, dass er Bescheid geben soll, wenn wir bei der Laguna vorbeifahren. Auf der Fahrt teile ich Äpfel und Weintrauben mit einem kleinen Mädchen, das neben mir sitzt und mich die ganze Fahrt über mit ihren Blicken mustert und glücklich anstrahlt.
La Laguna!, brüllt der Fahrer und fährt für einen kurzen Moment eine Spur langsamer, damit wir aus dem Bus springen können. Das letzte Stück bis zum Kratersee muss man zu Fuß gehen oder autostoppen. Wir spazieren die Straße hinunter und hie und da glitzert auch schon die Lagune zwischen den Bäumen durch. Bald hält ein Pick-up und wir machen es uns zwischen riesengroßen Autoreifen auf der Ladefläche gemütlich. Der Fahrer rast die Bergstraße hinunter, während wir auf der Ladefläche hin und her geschleudert werden.
Acaaa!, schreien wir und klopfen auf die Scheibe hinter dem Fahrer, da ist schon das Schild mit der Aufschrift zu sehen: El Paradiso. Und der Hostelname hält, was er verspricht. Hinter einer weißen Steinmauer bietet sich uns folgendes Bild: Ein dunkelblauer Kratersee, eingekesselt von grünen Hängen. Weiße Bungalows vorsichtig in die Landschaft gesetzt. Bunte Hängematten, die im Schatten vor sich hinschaukeln. Entspannte Tage. Schwimmen und Kajakfahren. Lesen und Essen, das in León nicht oft zu bekommen ist: Burger, Pizza, Pasta, Obst, Müsli, Sandwiches und Salate, frisch gepresste Smoothies und kühle Mojitos.
Das Wasser der Lagune ist glasklar und herrlich ruhig, im Gegensatz zum stürmischen Pazifik kann man hier wirklich schwimmen. Durch die Lage am Wasser ist es auch nicht so stickig und heiß wie in León. Am unteren Ende des Hanges liegt ein kleiner Kiesstrand mit Liegestühlen. Ein Holzsteg führt hinaus auf den See. Die Atmosphäre an diesem abgelegenen Kratersee ist magisch.
Als ich an einem dieser Novemberabende im Bikini mit einem Mojito in der Hand auf dem Steg sitze und die Füße ins warme Wasser des Kratersees baumeln lasse, weiß ich wieder, warum ich mir all diese Strapazen immer wieder antue, die damit verbunden sind, in ein fernes Land zu reisen. Deswegen. Genau deswegen.
Granada: Historischer Charme und touristische Trubel
Unsere nächste Station ist Granada, im 16. Jahrhundert unter spanischer Herrschaft gebaut, eine der schönsten Kolonialstädte Nicaraguas. Endlich im Hostel angekommen, das schwere Gepäck bunkern, duschen, von oben bis unten mit NoBite Insektenspray einsprühen und los gehts.
Im Schatten der Hausmauer eines eleganten, gelb gestrichenen Kolonialstilhauses warten ein Kutscher und seine zwei weißen Pferde auf Tourist*innen. Vor der Banco de America Central kauert ein Security in beiger Uniform und hält, an seinen Schlagstock gekuschelt, ein Mittagsschläfchen.
Ein großer Platz, umringt von den Arkaden prunkvoller Kolonialbauten. In der Platzmitte ein plätschernder Brunnen, auf dessen Stufen Kinder sitzen und Süßigkeiten und Limonaden in leuchtenden Farben verschlingen. Sitzbänke im Schatten von Ficusbäumen. Bunt bemalte Tische und Sessel laden rund um einen kleinen Pavillon zu einer Pause ein, Kiosko El Gordito steht auf einer Tafel.
Auf der Hauptstraße wimmelt es nur so von Restaurants, Cocktail- und Karaokebars. Motivierte Kellnerinnen deuten mit einladenden Handbewegungen auf Tische und Speisekarten mit Fotos von Fleisch und Fisch mit Bohnen, Reis und Salat. Kleine Buben und Mädchen mit schmutzigen T-Shirts, schwarzen verwuschelten Haaren und großen braunen Augen trotten von Tisch zu Tisch und bieten geknüpfte Armbänder und Tiere aus Bambus an. Hartnäckig und unbeeindruckt vom wiederholten no, gracias der Tourist*innen harren sie bei jedem Tisch aus und zeigen seelenruhig ihre Ware. Alles selbst gebastelt, erzählen sie, und dass sie ihre Mamas unterstützen müssen. Mein Hunger ist so groß, dass mich niemand lange überreden muss. Ich setze mich in eines der ersten Restaurants und nehme alles: Fisch und Fleisch, Bohnen, Reis und Salat. Cola und Wasser. Armbänder und Bambustiere.
Nach dem Essen borge ich mir ein Fahrrad aus und radel ans untere Ende der Hauptstraße. Und da liegt er vor mir: der größte See Mittelamerikas, der Lago de Nicaragua. Ein riesiges Gewässer, 8.000 Quadratkilometer, mit über 400 Inseln. Das schmutzige Wasser lädt nicht gerade zum Baden ein, aber die Promenade ist hübsch und gepflegt und voll von Familien und extrem jungen Paaren, die Rad fahren, Eis essen und auf der Wiese picknicken.
Auf dem Heimweg beginnt es zu dämmern. Laternen tauchen die Straßen in ein warmes gelbes Licht. Hinter einem Maschendrahtzaun Jugendliche, die Basketball spielen und kiffen. Auf der Straße dicke Frauen hinter weißen Kisten auf Rädern mit bunten Dächern, sie verkaufen Tortillas und Limonaden. Hinter ihnen auf dem Gehsteig sitzen Männer in Unterhemden auf Plastiksesseln und rauchen.
Am nächsten Tag mache ich eine Bootstour auf dem Lago de Nicaragua. Unten am See wartet schon mein Guide Javier, ein junger, fröhlicher Nica mit beigen kurzen Hosen, weißem T-Shirt, Sandalen, schwarzer Sonnenbrille und einem breiten Lächeln im Gesicht. Im schmutzigen Wasser planschen Kinder in nassen T- Shirts und kurzen Jeans, sie winken uns, spritzen sich gegenseitig an und quietschen vor Lachen. Auch Javiers kleiner Sohn ist mit an Bord und krabbelt ans vordere Ende des Bootes. Dort liegt er die ganze Fahrt über auf dem Bauch und späht über den Bug hinunter aufs Wasser.
Auf einer kleinen Insel flitzen Affen auf Baumstämmen rauf und runter und geben aufgeregte Geräusche von sich. An einer anderen Insel legt das Boot an und wir werden von einer Gruppe von Kindern empfangen, die uns mit einem Teller voll bunter Früchte begrüßt: Wassermelone, Ananas, Banane, Mango, Papaya und ein Stück Drachenfrucht, von der die Zunge so schön pink wird. Ein Jugendlicher hackt mit einer Machete Kokosnüsse auf und serviert sie uns, mit einem Strohhalm und einem gut gemeinten Schuss Rum. In einer Hängematte spielen Kinder mit einem Welpen. Die Menschen hier auf den Inseln leben abgeschieden, aber mittlerweile gehen alle Kinder zur Schule, das heißt, sie fahren zur Schule, mit dem Boot.
Wir fahren weiter und schippern vorbei an Inseln mit winzigen einfachen Hütten, auf anderen stehen alte Steinhäuser, die aussehen wie kleine Schlösser. Die meisten Inseln sind unbewohnt. In der Ferne raucht ein Vulkan. Am Himmel ziehen Wolken auf und die Farben werden mit einsetzender Dämmerung allmählich blasser. Mittlerweile sind nur noch wenige Boote zu sehen. Die Vegetation auf den Inseln verwandelt sich in dunkle Schatten. Die Stimmung auf dem See wird ruhig, beinahe mystisch. Als wir anlegen, ist es schon fast dunkel. Direkt am Ufer liegt ein Restaurant, in dem wir frischen Fisch und Gallo Pinto zu Abend essen. Mit Blick auf den See, über dem jetzt kreischende Vogelschwärme kreisen.
Nach dem Essen klettern wir auf die Ladefläche eines Jeeps und ruckeln über einen Waldweg zurück ins Stadtzentrum. Müde und von Mückenstichen übersät fallen wir in unsere Betten. Eine weitere unbequeme Nacht auf dem harten Lattenrost. Am nächsten Mor- gen wollen wir weiter nach San Jorge und von dort mit einer Fähre zur berühmtesten Insel des Nicaragua- sees, der Isla de Ometepe, der weltweit größten vul- kanischen Insel in einem Süßwassersee, bestehend aus zwei Vulkanen, die durch eine schmale Landbrücke miteinander verbunden sind.
Granada, mit seiner gut erhaltenen Kolonialarchitektur, hatte zweifellos einen besonderen Charme. Allerdings war der Massentourismus unverkennbar. Die Straßen waren mit Souvenirläden und Restaurants übersät, die oft einheitliche Angebote hatten. Die Bootsfahrt zu den Isletas de Granada war trotzdem beeindruckend, aber der kommerzielle Touch war unübersehbar.
Weitere Lieblingsorte, die du dir nicht entgehen lassen solltest
Isla de Ometepe
Little Corn Island
Schlusswort
Wer mit Neugierde kommt und bereit ist, sich auf die lokalen Gegebenheiten und das Tempo einzulassen, kann in Nicaragua wundervolle Dinge erleben: unberührte Natur und Orte fern vom Massentourismus, Ausflüge mit Locals, die deinen Rucksack auf ihr Pferd laden und dich gemeinsam mit ihren Kindern im Schlepptau an Orte bringen, an denen noch nie ein Tourist gewesen ist.
Warmherzige hilfsbereite Menschen, die Gäste nicht nur als zahlende Touristinnen wahrnehmen, sondern neugierig Fragen stellen und sich unglaublich darüber freuen, dass man ihr Land besucht. Und vor allem kann man hier ein ganz besonderes Lebensgefühl kennenlernen: ein Gefühl von Gelassenheit, Zuversicht und Freiheit.
Bei traveljunkies kannst du deinen Nicaragua Urlaub so individuell nach deinen Wünschen mit eigenem Mietwagen oder Privatfahrer gestalten wie du möchtest. Das geht ganz einfach! – Du verrätst uns deine Eckdaten & Wünsche und wir übernehmen die Planung & Organisation. Oder du schließt dich einer unserer abenteuerlichen Gruppenreisen an.
Lass dich inspieren! Ob als Vorbereitung für deine Reise, als Abenteuer im Kopf auf dem Sofa oder als Weihnachtsgeschenk für alle, die sich für andere Länder interessieren: Der Reiseführer Nicaragua mit seinen spannenden Geschichten vom Leben und Reisen in Nicaragua bringt dir Land und Leute hautnah nachhause! Mit Insidertipps von einer Nicaragua-Expertin.